Handlungsfelder für klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen

Handlungsfeld Ernährung

Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apotheke.

(Sebastian Kneipp, Priester und Naturheilkundler, 1821-1897)

Warum ist das Handlungsfeld Ernährung wichtig?

Auswirkungen unseres aktuellen Ernährungssystems auf die planetare Gesundheit

Ebenfalls müssen für die Produktion von tierischen Lebensmitteln große Flächen für Weideland oder den Anbau von Futtermitteln zur Verfügung stehen. Die Abholzung von Wäldern für die Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen trägt zur Freisetzung von Kohlenstoffdioxid bei. Ebenfalls gehen so die Lebensräume von Wildtieren verloren, was dazu geführt hat, dass mehr als 70 % der Wildtierbestände in den letzten 40 Jahren ausgerottet wurden7. Dass in Südamerika so viel Regenwald gerodet wird, ist also auch auf den europäischen Konsum von tierischen Produkten zurückzuführen.

Der Anbau von Soja ist Teil des Problems, denn 80 % des dort angebauten Sojas wird als Tierfutter exportiert.8

Abbildung 1: Auswirkungen unseres landwirtschaftlichen Systems auf ausgewählte Bereiche. Quelle: UN Convention to Combat Desertification (2022): The Global Land Outlook, 2nd Edition

Abgesehen von der Erhitzung unseres Klimas, der Rodung von Waldflächen und des terrestrischen Biodiversitätsverlusts, hat unser Ernährungssystem auch einen enormen Wasserfußabdruck und trägt maßgeblich (mit 80 % unter allen Sektoren) zur Nährstoffanreicherung unserer Gewässer bei – was erst einmal gut klingt, aber das übermäßige Wachsen von Algen zur Folge hat. Dies führt wiederum zu Sauerstoffmangel und verdrängt somit andere Pflanzen und vor allem aquatische Tiere.

Veränderte Ernährungsgewohnheiten und v.a. die Reduzierung tierischer Lebensmittel, aber auch die Reduzierung des übermäßigen Einsatzes von Düngemitteln und Pestiziden sowie die Anwendung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken sind der Schlüssel zur Eindämmung der immensen Auswirkungen unseres Ernährungssystems auf die planetare Gesundheit.

Übrigens: Aktuell werden 1/3 aller weltweit produzierten Lebensmittel weggeworfen.12 In Deutschland sind dies knapp 80 kg pro Bürger:in pro Jahr.13 Auch in deutschen Krankenhäusern werden Unmengen an Lebensmitteln weggeworfen, weil z.B. Bestellabläufe keine individuellen Anpassungen erlauben. Das ist nicht nur ökologische Ressourcenverschwendung, sondern stellt zudem eine ökonomische Belastung dar, weil die Krankenhäuser die Lebensmittel teuer entsorgen müssen.

Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

All die genannten Auswirkungen auf unsere planetare Gesundheit haben natürlich auch indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Denn gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Gleichzeitig sehen wir aber auch direkte Auswirkungen unseres Ernährungssystems auf die menschliche Gesundheit.

Die Art und Weise wie wir uns ernähren und unsere Lebensmittel produzieren hat zur Erhitzung unseres Klimas, aber auch zum Anstieg von ernährungs(mit)bedingten Erkrankungen geführt.

Während in Ländern mit geringerem Einkommen Mangelernährung weiterhin ein Problem bleibt und Ernteverluste durch die Klimakrise die Ernährungssicherheit zunehmend gefährden, sind in Ländern wie Deutschland Herzkreislauf-Erkrankungen mittlerweile die Haupttodesursache.10

The Lancet beschreibt dieses globale Phänomen als die „globale Syndemie“, also dem gemeinsamen Auftreten der drei Pandemien aus Übergewicht-, Mangelernährung und Klimakrise.11

In der Landwirtschaft werden nicht nur Pestizide und Düngemittel eingesetzt, sondern auch Antibiotika. Diese werden massenhaft, oft nur präventiv – also ohne, dass es dazu akuten Anlass gibt – eingesetzt, damit Infektionswellen in eng zusammengepferchten Nutztierbeständen verhindert werden. Ein Großteil dieser Antibiotika wird auch in der Humanmedizin verwendet – dort haben sie die Medizin revolutioniert, indem sie die Sterblichkeit durch bakterielle Infektionen drastisch reduzierten und die Lebenserwartung erhöhten. Diesen Erfolg drohen wir zu zerstören. Denn je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto schneller können sich (multiresistente) Keime entwickeln, die 2019 mit knapp 5 Millionen Todesfällen weltweit assoziiert waren.9

Co-Benefits

Wie Sie sehen, hat eine Ernährungsumstellung große Vorteile für die menschliche Gesundheit, aber auch für die unseres Planeten. Falls Sie trotzdem nach weiteren Argumenten für eine Verpflegungsumstellung hin zu mehr pflanzlichen und weniger tierischen Produkten suchen, haben wir hier noch ein paar Gründe für Sie gesammelt:

  • Förderung der Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Patient:innen und Mitarbeiter:innen: Eine klimafreundliche Ernährung schont nicht nur Umwelt und Klima, sondern verbessert auch die Gesundheit Ihrer Patient:innen und Mitarbeiter:innen. Die EAT-Lancet Kommission hat berechnet, dass sich mit der PHD weltweit 11 Mio. Todesfälle jährlich vermeiden ließen. Entscheidend ist auch die Lebensqualität – gesunde Ernährung lässt nicht nur länger, sondern auch besser leben und hält Körper und Geist fit und glücklich. Die PHD kann vielen nichtübertragbaren chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs vorbeugen.
  • Erreichen Ihrer Nachhaltigkeitsziele: Unser Ernährungssystem hat immense Auswirkungen auf unser Klima. Deshalb kann die Verpflegung auch die Scope 3 Emissionen Ihrer Einrichtung in die Höhe treiben. Durch geschickte Umstellungen in der Verpflegung, lassen sie sich jedoch auch senken.
  • Einsparung hoher Kosten: Ein Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung ist ein Beitrag für Ihren Geldbeutel. Je effizienter das Lebensmittelmanagement, desto weniger Lebensmittel werden weggeworfen. Bedeutet: Weniger unnötige Ausgaben für Lebensmittel, die dann in der Tonne landen.
  • Erhalt unserer Lebensgrundlage: Vielleicht genügt es auch schon zu betonen, dass sie durch die Umstellung der Verpflegung ein Beitrag zum Erhalt unseres wunderbaren Planeten – unserer Lebensgrundlage – leisten können.

Welche Herausforderungen gibt es im Handlungsfeld Ernährung?

Die Verpflegung für Patient:innen und Mitarbeitende in Gesundheitseinrichtungen hat derzeit keinen hohen Stellenwert, obwohl sie maßgeblich zum Wohlbefinden und Genesungsprozess beitragen kann und zusammen mit der medizinischen Behandlung auch die Beurteilung des Klinikaufenthalts beeinflusst. Dass es hier Nachbesserungsbedarf gibt, ist wohl vielen klar.

Offensichtlich ist jedoch auch, dass die Umstellung der Speiseversorgung Gesundheitseinrichtungen vor große Herausforderungen stellen kann: Neue Rezepte müssen gefunden, Mitarbeiter:innen geschult und Abläufe neu gestaltet werden. Die Umstellung sollte deshalb – wie bei privaten Ernährungsumstellungen auch – Schritt-für-Schritt erfolgen. So können sich Patient:innen, Mitarbeitende und vor allem das Verpflegungspersonal nach und nach daran gewöhnen. Letzteres sollte beim Prozess übrigens eng eingebunden werden und selbst in die Ideensammlung miteinbezogen werden. Wie gut, dass einige Kliniken hier vorangehen und Praxisbeispiele sowie Rezepte liefern:

Eine wichtige und oft angesprochene Herausforderung ist die Finanzierung. Da die Verpflegung aktuell zu den „Nicht-medizinischen Leistungen“ gezählt wird und mit zwölf weiteren so klassifizierten Leistungen (z.B. EDV) konkurriert, bleibt nicht viel Geld für den Einkauf von gesunden und nachhaltig angebauten Lebensmitteln. Diese Eingliederung in das Abrechnungssystem ist auch aus wissenschaftlich-medizinischer und humanitärer Sicht falsch. Wir arbeiten mit unseren Partner:innen daran, uns politisch für eine Änderung in diesem Bereich stark zu machen. Dennoch zeigen viele Beispiele, dass auch aktuell – unter dem hohen Kostendruck – eine gesündere und nachhaltigere Verpflegung möglich ist! Wenn auch Sie in diesem Bereich aktiv werden möchten, schreiben Sie uns gerne!

Womit kann ich direkt anfangen?

  • Festlegung von Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung und Monitoring der Lebensmittelabfälle: Beispielsweise durch die Optimierung der Prozesse der Speiseherstellung und -verteilung oder der Einführung von Buffett- und Vorbestellsystemen in geeigneten Bereichen. Denn: Werden Lebensmittel verschwendet, sind die zuvor eingesetzten Ressourcen wie Energie und Wasser, Rohstoffe und Landfläche umsonst verbraucht worden.
  • Reduktion tierischer Lebensmittel & mehr Hülsenfrüchte auf die Teller: Der Anteil fleischhaltiger Speisen sollte reduziert werden. Fangen Sie beispielsweise an, den Fleischanteil in (Fleisch-)gerichten zu reduzieren. Dafür sollte der Anteil der pflanzlichen Nahrungsmittel zunehmen. Als Proteinlieferanten sollten Hülsenfrüchte vermehrt in die Speisepläne aufgenommen werden. (Zielwerte liefern die Angaben der Planetary Health Diet: Tabelle rechts. Durch Anklicken vergrößert sich die Grafik und eignet sich zum Ausdruck für Ihre Hosentasche.)
  • Nicht nur auf das Was, sondern auf das Wo und Wie achten: Erwägung eines Contractings mit einem Bauernhof in Ihrem Landkreis, um mit saisonalen und regionalen Lebensmittel zu verpflegen. Diese sind frischer und durch kurze Transportwege bleiben Nährstoffe besser erhalten. Ebenfalls bietet es sich an, bei Tee und Kaffee auf Fair Trade Produkte zu setzen, um sich für soziale Standards bei der Lebensmittelproduktion einzusetzen.
  • Nutzung von Leitungswasser als Trinkwasser: Wasser kommt aus dem Hahn? Genau richtig! In Deutschland hat Leitungswasser eine hervorragende Qualität und ist wesentlich günstiger als abgefülltes Wasser. Es spart aber nicht nur Kosten, sondern auch CO2. Wie viel? Das kann hier berechnet werden.
  • Sonstiges: Nutzung von Mehrweggeschirr, Information (Fortbildungen, Klinik-Webseite) für Mitarbeitende und Patient:innen über die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung

Best Practice Beispiele

Niels-Stensen-Kliniken: Der Klinikverbund, der jährlich mehr als 900.000 Personen beköstigt, erschuf 2022 die Stabstelle Nachhaltigkeit, in der eine verbundweite Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet wurde. Eines der Fokusthemen war dabei die gesunde Ernährung und Emissionsreduzierung. Angefangen mit der Messung der Emissionen aus dem Verpflegungsbereich, begannen – unter Einbeziehung von Küche und Mitarbeitenden – die Überlegungen darüber, wie Gerichte angepasst werden können, um Emissionen einzusparen. Nun werden vermehrt regionale und pflanzliche Produkte eingeplant, die tierische Produkte ersetzen. Gerichte, die weniger als 50 % an Treibhausgasen emittieren, werden an einem CO2-Label für alle kenntlich gemacht. Dabei betont Frau Sadlak, die Leiterin der Stabstelle Nachhaltigkeit: „Das Beste daran: Unsere leckeren Speisen sind dadurch sogar noch gesünder geworden. Denn die Gerichte, die besonders emissionsarm sind, sind oft auch besonders gut für die Gesundheit.“

Amalie Sieveking Krankenhaus Hamburg: Mithilfe einer Catering-Firma wurden die Mitarbeiter:innen-Kantine und das Speiseangebot auf den Wahlleistungsstationen um täglich zwei Menüs erweitert. Diese bestehen aus regionalen sowie saisonalen Produkten und werden aus biologischer Landwirtschaft bezogen. Durch die Zusammenarbeit mit örtlichen Demeter-Bauernhöfen kann, über die CO2-Einsparung der Klinik hinaus, ein positiver Klimaeffekt für die Region erzielt werden. Weitere Informationen erhalten Sie über die Klik-Datenbank sowie diesen Presselink.

Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (GKH): Seit 2017 hat das GKH schrittweise seine Lebensmittelversorgung auf eine klimagerechte und gesündere Ernährung umgestellt. Die Mahlzeiten beinhalten nun eine Vielzahl von pflanzenbasierten Gerichten. Fleisch in Bio-Qualität gibt es zweimal pro Woche und einmal im Monat Fisch von einem Binnenfischereibetrieb. Für das GKH war die Umstellung kostengünstig, da billiges Fleisch aus Massentierhaltung für sie teurer war, als Gemüse und Hülsenfrüchte. Der Anteil an Biolebensmitteln konnte innerhalb von fünf Jahren um 20 % auf insgesamt 60% (2023) gesteigert werden. Um das zu ermöglichen wurde der tägliche Betrag für die Verpflegung ab 2019 von 4,74 € auf 5,50 € erhöht. Um die 20 % der Lebensmittel werden regional bezogen. Das Ziel der Küche ist es, diese Zahl bis 2030 auf 80 % zu erhöhen. Ebenfalls sollen 100 % der verwerteten Lebensmittel aus ökologischer Produktion stammen. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Ziels hängt jedoch auch stark von der Entwicklung regionaler Strukturen ab. Weiterführende Informationen zu diesem Praxisbeispiel erhalten Sie über die Artikel des Deutschlandfunks sowie des Tagesspiegels.

Materialien

Broschüre des Umweltbundesamtes: Besser essen in Kantinen und Mensen, Wegweiser für eine umwetlverträgliche und gesundheitsfördernde Gemeinschaftsverpflegung. (siehe rechts)

Klimagesund kochen und genießen: Rezepte, Infos und Tipps für soziale Einrichtungen.

Ihre Projekte

Haben Sie zusätzliche Vorschläge, Kommentare oder gute Best-Practice-Beispiele?

Wir freuen uns über Ihre Anregungen, um unsere Arbeitsbereiche kontinuierlich zu optimieren. Kontaktieren Sie uns hierzu gerne unter info@klimeg.de.

Ansprechpartner:in

Anne Schirmaier

Ihre Ansprechpartnerin für das Thema Ernährung

anne.schirmaier@klimawandel-gesundheit.de