Handlungsfelder für klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen

Handlungsfeld IT und Digitalisierung

„Eine richtige digitale Transformation verwandelt eine Raupe in einen Schmetterling. Bei einer schlecht gemachten, haben Sie nur eine richtig schnelle Raupe.“

(George Westermann, IT Unternehmer)

Warum ist das Handlungsfeld IT und Digitalisierung wichtig?

Eines ist klar: Eine Dekarbonisierung des Gesundheitswesens wird ohne Digitalisierung nicht möglich sein. Ebenso unumstritten ist jedoch, dass IT und Digitalisierung ihrerseits einen erheblichen Energiebedarf und damit einen bedeutenden CO2-Fußabdruck haben. Die genaue Größe der Treibhausgasemissionen der IT im Gesundheitswesen ist schwer zu messen, da sie sich in sehr vielen Teilprozessen versteckt.

Für die Nachhaltigkeitsbetrachtung stellt einerseits der Stromverbrauch der IT einen wichtigen Aspekt dar, andererseits jedoch auch Faktoren wie die Lebens- und Nutzungsdauer der Geräte, denn nur wenige der verbauten seltenen Rohstoffe können sinnvoll recycelt werden. Laut dem Umweltbundesamt spart beispielsweise die Nutzung eines Laptops an einem Arbeitsplatz für 6 Jahre, anstatt für 3 Jahre, etwa 390 kg Co2eq, gemessen über 10 Jahre (Quelle: Umweltbundesamt). 

Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist die Nutzung von Videokonferenzen in vielen Gesundheitseinrichtungen etabliert, wofür das Umweltbundesamt mittlerweile auch Zahlen über den Energieverbrauch benennen kann. Idealerweise soll eine Videokonferenz an einem Laptop im WLAN durchgeführt werden, was pro Stunde Videokonferenz etwa 55 Gramm CO2-Äquivalente produziert. Das entspricht einer Autofahrt von lediglich 260 Metern. Mit einem fest installierten PC mit Monitor sind es 90 Gramm CO2-Äquivalente. Als weiteres Beispiel für die Treibhausgasproduktion durch die IT soll ein einzelner Durchlauf einer Google-Suche dargestellt werden: Dieser erzeugt  bis zu sieben Gramm CO2-Äquivalente. Diese Menge ist ausreichend, um eine Glühbirne für einige Sekunden zum Leuchten zu bringen. Mittlerweile sind viele Anwendungen und Aufgaben sowie die damit verbundenen Umweltlasten von der klassischen Werkbank in die digitale Infrastruktur verlagert worden. Dies erfordert eine hohe IT-Leistung in den Rechenzentren, die wiederum davon abhängt, wie effizient die Energie für Server und Speichertechnik eingesetzt wird. Häufig wird hierfür die Kennzahl „Power Usage Effectiveness“ (PUE) als Parameter für die Effizienz von digitaler Infrastruktur genutzt. Zusätzlich hat das Umweltbundesamt ein Kennzahlensystem entwickelt: Key Performance Indicators for Data Center Efficiancy (KPI4DCE).

Welche Herausforderungen gibt es im Handlungsfeld IT und Digitalisierung?

Über die Digitalisierung von Prozessen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wird viel gesprochen. Im Gegensatz dazu sind diese, vor allem in Bezug auf die notwendige Dokumentation, weiterhin sehr papierlastig und tragen zum hohen administrativen Aufwand und der Belastung des Personals bei. Ziel der Digitalisierung soll sein, dass alle krankheits- und therapiebezogenen Informationen von Patient:innen in digitaler Form vorliegen und überall zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden. Dadurch können unnötige Doppeluntersuchungen und zeitaufwendiges Suchen von Daten vermieden werden. Beispielsweise sollte die von niedergelassenen Ärzt:innen durchgeführte Diagnostik in der Klinik nicht wiederholt werden müssen, weil die extern erhobenen Laborwerte im Krankenhaus nicht bekannt sind. Darüber hinaus könnten die durchgeführten Diagnostik-Vorgänge durch eine Digitalisierung besser aufeinander abgestimmt werden und weniger Schnittstellenprobleme aufweisen.

Die Einführung einer elektronischen Patientenakte (EPA) ist hierfür ein wichtiger Meilenstein. Neben den fehlenden finanziellen Ressourcen mangelt es jedoch an infrastrukturellen Voraussetzungen, wie beispielsweise einer zuverlässigen und leistungsstarken Internetverbindung oder den rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Sicherheit der Patient:innen-Daten. Da die digitale Verzahnung in Deutschland jedoch nur sehr schleppend vorangeht, liegt die Bundesrepublik im EPA-Ranking europaweit im unteren Drittel.

Eine EPA ohne Medienbrüche bringt viele Vorteile mit sich, so könnten beispielsweise die Medikationssicherheit erhöht, Medikamentenbestellungen automatisch angestoßen und Doppelverordnungen vermieden werden. Auch dies stellt einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität und zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs dar. Zudem gibt es weitere IT-Systeme, die die Patient:innen-Versorgung verbessern: Elektronische Rezepte, Fernüberwachung, Telemedizin, online-Zugangsplattformen, Patient:innen-Apps und Wearables (am Körper tragbare Technologien zur Datenverarbeitung), online-Terminbuchung, Robotik, Spracherkennungstools, Point-of-Care-Diagnostik (POCD), digitale Dienstpläne, Erfassung von Gesundheitsdaten von Patient:innen mit Smart Devices (z. B. Diabetes Therapie und -überwachung) und Apps für das medizinische Personal sind nur einige Beispiele der Digitalisierungspalette.

Exkurs: Ranking des Digitalisierungsprozesses von Krankenhäusern

Der Digitalisierungsprozess eines Krankenhauses kann mithilfe des „Electronical Medical Record Adoption Model“ (EMRAM) evaluiert werden. Dabei handelt es sich um ein Stufenmodell, das Krankenhäuser auf einer Skala von Stufe 0 (keine Informationssysteme für die großen diagnostischen und versorgenden Abteilungen wie Labor, Radiologie oder Apotheke vorhanden) bis zu Stufe 7, (lückenlose elektronische Patientenakte in allen klinischen Bereichen etabliert) bewertet. Erst bei Erreichen der Stufe 7 kann die höchste Effizienz und Effektivität ohne Abbrüche im Informationsfluss erlangt werden.

2017 hatten die deutschen Krankenhäuser einen Durchschnitts-EMRAM-Score von 2,3 (n = 167). Dabei waren 40 % dieser Krankenhäuser auf Stufe 0 und nur 20 % der Häuser erreichten Stufe 5. Kein einziges Klinikum in Deutschland erreichte die Stufe 7. Im Gegensatz dazu ist der Digitalisierungsprozess von Krankenhäusern in anderen europäischen Ländern deutlich weiter. Die Spitzenplätze belegen Dänemark mit einem EMRAM-Score von 5,3. Darauffolgend die Niederlande mit 4,7, Spanien mit 3,9, Italien 3,2, Türkei mit 2,9. Der europäische Durchschnitt liegt bei einem EMRAM-Scroe von 3,6.

Weitere Faktoren, die die Digitalisierung (neben den bundesweiten, strukturellen Problemen) behindern, sind kleine Häuser (< 200 Betten) aufgrund häufig fehlender Ressourcen, mangelnde Investitionen durch die Bundesländer sowie eine unzureichende Investitionskultur der Krankenhäuser selbst.

Co-Benefits

Die Vorteile der Digitalisierung meiner Gesundheitseinrichtung sind:

  • Einsparung von Zeit und Geld durch die Vermeidung von unnötigen Doppeluntersuchungen und zeitaufwendigem Suchen von Informationen.
  • Reduktion des Papierverbrauchs durch weniger Ausdrucke.
  • Reduktion des medizinischen Abfalls: Durch eine fortschrittliche Digitalisierung kann die Anzahl überflüssiger Tests und Untersuchungen gesenkt werden, was nicht nur für die Patient:innen einen erheblichen Vorteil bietet, sondern auch zur Reduktion des medizinischen Abfallaufkommens beiträgt.
  • Reduktion der Betriebsfahrten: Durch den Einsatz von digitalen Kommunikationsplattformen und Videokonferenzen kann der Bedarf an persönlichen Kontakten und Transporten reduziert werden.

Womit kann ich direkt anfangen?

  • Umstellung aller Drucker auf Doppelseitendruck / Vermeidung von Ausdrucken
  • Verwendung tintensparender Schriftarten (bspw. Garamond oder Century Gothic)
  • Umstellung auf Videokonferenzen anstatt physischer Treffen, dabei Nutzung von WLAN statt Mobilfunk, zusätzliche Komprimierung von Videos und Bildern
  • Ecosia als Standardsuchmaschine
  • Konsequente Löschung nicht benötigter Daten aus online-Speicherplattformen (Cloud)
  • Stromsparende Einstellungen: Konfigurieren von Computern und Geräten mit energiesparenden Einstellungen wie Ruhezustand und automatischem Ausschalten
  • Weitere gute Best Practices rund um das Thema IT finden sich in der KLIK Datenbank.

Weitere Maßnahmen

  • Etablierung einer IT-Strategie inklusive einer Nachhaltigkeitsbetrachtung
  • Verwendung der „Digitalen Kurve“: Die elektronische Erfassung von medizinischen Patient:innen-Daten kann die Arbeit für das Gesundheitspersonal deutlich effizienter gestalten.
  • Nutzung von Telemedizin
  • Inanspruchnahme von Fernwartung und Remote-Service
  • Sieboptimierung im OP: Mit RFID-Chip-Systemen kann die Materialerfassung im OP fall- bzw. fallgruppenbezogen erfolgen und langfristig optimiert werden.
  • Speicherung von Daten in Clouds statt Rechenzentren (Cave: deutscher Datenschutz)
  • Optimierung der Lieferkette (z.B. Digitale Plattformen für nachhaltige Produkte)

Materialien und Link-Tipps

Ihre Projekte

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Ansprechpartner:in

Maurizio Bär

Ihr Ansprechpartner für das Thema Lieferketten

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