Handlungsfelder für Gesundheitseinrichtungen

Handlungsfeld Mobilität

„Alle wollen zurück zur Natur. Aber keiner zu Fuß.“

(Werner Mitsch, Aphoristiker, 1936-2009)

Warum ist das Handlungsfeld Mobilität wichtig?

Das Thema Mobilität wird im Kontext mit Gesundheitseinrichtungen häufig unterschätzt: Rund 14 % der Emissionen des Gesundheitssektors werden durch An- und Rückfahrt von Patient:innen und Mitarbeiter:innen, durch die krankenhauseigene Fahrzeugflotte sowie durch Dienstreisen und Fahrten von Besucher:innen verursacht, wie eine Studie des englischen Gesundheitssystems NHS zeigen konnte.

Dabei gibt es eine große Bandbreite der mobilitätsassoziierten Treibhausgasemissionen je nach Art und Lage einer Gesundheitseinrichtung. Beispielweise haben Universitätskliniken, bedingt durch internationale Dienstreisen und Kongresstätigkeiten des Arbeitsbereichs „Forschung und Lehre“ einen hohen CO2-Fußabdruck im Bereich Mobilität. Einrichtungen in zentraler Lage mit guter ÖPNV-Anbindung benötigen den richtigen Ansporn, um ihre Mitarbeitenden für einen PKW-freien Arbeitsweg zu gewinnen, während Einrichtungen im ländlichen Bereich größtenteils vor technisch-logistischen Problemen stehen.

Ziel soll daher immer sein, die Erreichbarkeit des Krankenhauses oder der Pflegeeinrichtung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu optimieren und Anreize für die Nutzung aktiver Mobilität per Fahrrad oder E-Bike zu schaffen. Ebenso gelten eine Dienstreisenregelung, die die Bevorzugung von Zug- vor Flugreisen vorsieht, sowie nachhaltige Kongressplanungen als gute Möglichkeiten die mobilitätsassoziierten Emissionen einer Gesundheitseinrichtung zu reduzieren.

Welche Herausforderungen gibt es im Handlungsfeld Mobilität?

Patient:innen-bezogene Emissionen:

Eine gute Möglichkeit für eine mobilitätsassoziierte Emissionsreduktion ist die Elektrifizierung der einrichtungseigenen Fahrzeugflotte. Im deutschen Rettungsdienst steht dieses Thema noch am Anfang seiner Entwicklung, da die Fahrzeuge auf spezifische Einsatzzwecke abgestimmt und seltene Ereignisse bei der Produktion berücksichtigt werden müssen. Sollten zum Beispiel unerwarteterweise längere Strecken zu bewältigen sein oder die Einsatzfrequenz stark steigen, sind elektrische Transporteinheiten derzeit noch im Nachteil und für den Einsatz im Katastrophenfall nur bedingt nutzbar.

Ein weiterer Ansatz ist die fortschreitende Digitalisierung, die schon bald telemedizinische Anwendungen und Prozessoptimierungen ermöglichen könnte, um (Mehrfach-)Besuche von Patient:innen und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Soweit technisch bereits möglich, können Sprechstundentermine u.ä. natürlich jetzt schon telemedizinisch erfolgen.

Generell sollte die Auswahl des geeigneten Transportmittels für Patient:innen jedoch immer kritisch erfolgen (Hubschrauber vs. Krankenwagen) und bei vergleichbarer Sicherheit die bodengebundene Variante benutzt werden.

Als kostengünstige Methode, sollten Patient:innen, die elektiv zur Aufnahme oder Untersuchung kommen, bereits auf der Website der Klinik oder beim telefonischen Erstkontakt auf die Erreichbarkeit der Einrichtung mit öffentlichen Verkehrsmitteln hingewiesen werden.

Mitarbeitende:

Als erste Möglichkeit zur Reduktion mobilitätsbezogener Emissionen von Mitarbeitenden, gilt das Vermeiden des Arbeitsweges durch Home-Office. Dass dies im Gesundheitssektor nur bei einem Teil der Beschäftigten realisiert werden kann, ist selbstverständlich. Jedoch sollten all diejenigen, die am Computer arbeiten, z. B. administrativ tätiges Personal und ein Teil des wissenschaftlichen Personals, die Erlaubnis haben und dazu motiviert werden, sich (ab und zu) den Arbeitsweg zu sparen.

Darüber hinaus ist es essentiell, für die Mitarbeitenden, die in Präsenz gebraucht werden, Anreize für die Nutzung des ÖPNV zu schaffen, sichere und in ausreichender Anzahl vorhandene Stellplätze für Fahrräder anzubieten sowie Ladepunkte für Elektroautos sowie -fahrräder zu installieren. Falls die Infrastruktur die Nutzung eines PKWs nötig macht, sollen Mitarbeitende dazu motiviert werden, Fahrgemeinschaften zu gründen, wofür bereits verschiedene Apps zur Vereinfachung des Prozesses entworfen wurden.

Zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs kann zudem erwogen werden, Autoparkplätze höher zu bepreisen bzw. in Grünflächen umzuwandeln. Auf diese Weise kann wiederum die Nutzung des ÖPNV attraktiver werden. Zudem können Gesundheitseinrichtungen und Mitarbeitende auf steuerlich geförderte Leasingmodelle für Fahrräder zurückgreifen, wodurch kostengünstige und emissionsarme Mobilität möglich wird.

Die COVID-19-Pandemie hat viele Menschen dazu gezwungen, auf virtuelle Kommunikationsformate auszuweichen, um Besprechungen, Teammeetings oder ganze Kongresse online abzuhalten. Das hat zu einer erheblichen Einsparung an CO2-Emissionen geführt, weshalb diese Konzepte weiterhin angewendet werden sollten. Wir raten dazu, online Formate immer dann anzubieten, wenn damit dasselbe bzw. ein ausreichend ähnliches Ziel erreicht werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, neben der Einsparung mobilitätsassoziierter Emissionen, dass Treffen spontan stattfinden und Menschen aus verschiedenen Orten daran teilnehmen können.

Zuletzt sollen Dienstreisen Anlässen vorbehalten bleiben, deren Erfolg und Gelingen von der Präsenz der Personen abhängig ist. Für kürzere, innereuropäische Strecken muss das Reisen mit der Bahn erfolgen. Flugreisen sind auf das Notwendigste zu beschränken und sollten nur in Ausnahmefallen als Reisekosten erstattungsfähig sein. Sollte es sich dennoch nicht vermeiden lassen, bietet es sich an, dafür eine Kompensation zu entrichten.

Die Umsetzung von Mobilitätskonzepten mit der Förderung aktiver, fossilfreier Mobilität ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen im Hinblick auf Mitigation und Adaption an den Klimawandel, weshalb diese in Gesundheitseinrichtungen sobald wie möglich realisiert werden muss.

Co-Benefits

Die Vorteile der Förderung von aktiver Mobilität sind:

  1. Entsiegelung von frei werdenden Flächen durch Abbau von Parkplätzen
  2. Steigerung des Wohlbefindens sowie der physischen & psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden durch körperliche Aktivität
  3. Kosteneinsparung (Mitarbeitende und Unternehmen)
  4. Flexibilität und Zeitersparnis auf kurzen Strecken
  5. Reduktion der Luftverschmutzung
  6. Reduktion von schwerwiegenden Verkehrsunfällen

Womit kann ich direkt anfangen?

Um den motorisierten Individualverkehr von Mitarbeitenden, Patient:innen und Besucher:innen zu reduzieren stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Prüfung von Möglichkeiten für Home-Office Arbeitsplätze
  • Nutzung von Fahrrad-Leasing-Angeboten
  • Ausweitung der Ladeinfrastruktur für E-PKWs in unmittelbarer Nähe der Einrichtung in Zusammenarbeit mit der Stadt. (Die Installation von Ladesäulen auf dem Klinikgelände ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen oft erschwert, aber nicht unmöglich.)
  • Einrichtung von E-Bike-Ladepunkten auf dem Klinikgelände
  • Angebot eines ÖPNV-Tickets für Mitarbeitende oder finanzielle Bezuschussung des 49 €-Tickets
  • Hinweise auf ÖPNV-Haltestellen und E-Ladesäulen auf der Homepage
  • Verbesserung der Fahrradinfrastruktur: Bereitstellung von Fahrradstellplätzen, Duschen und Umkleideräumen für Mitarbeitende, die mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen.
  • Prüfung und Einrichtung des ÖPNV-Taktes und der Anfahrt von Haltestellen abhängig von Schichtplänen
  • Schaffung des Mitarbeiter:innen-Bewusstseins: Durchführung von Schulungen und Sensibilisierungsprogrammen für Mitarbeitende zur Schärfung des Bewusstseins für nachhaltige Mobilität – Ermutigung von Mitarbeitenden für die Nutzung umweltfreundlicher Transportmittel und das Überdenken ihrer Mobilitätsgewohnheiten
  • Angebot einer klinikeigenen Mitfahr-App

Bezogen auf den klinikeigenen Fuhrpark empfiehlt es sich:

  • Sukzessive Umstellung des Fuhrparks auf E-Fahrzeuge
  • Ausstattung von Pflegediensten mit E-Bikes und E-PKWs
  • Optimierung der Lieferketten: Zusammenarbeit mit Lieferant:innen, die nachhaltige Transportmethoden verwenden, wie beispielsweise Elektrofahrzeuge oder klimaneutrale Lieferoptionen.
  • Labor-und Bluttransporte per Fahrradkurier / Drohnen

Best Practice Beispiele

  • Leasing von E-Fahrrädern über „Job-Rad“ und „Business-Bike“ für Mitarbeitende, auch für die Privatnutzung, wobei die Abrechnung der Leasingrate über die Gehaltsabrechnung erfolgt. Diese Beispiele wurden bereits an den Niels Stensen Kliniken, Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe und Paracelsus Kliniken implementiert Weitere Informationen im ärzteblatt.de und kma-online.de
  • Ersatz von Fahrzeugen, deren Leasing Verträge auslaufen, durch E-Autos am Marienhospital Aachen. Weiterführender zu diesem Beispiel hier.
  • Angebot einer klinikeigenen Mitfahr-App für die Nutzung von E-Rollern und Vespas für Fahrten auf dem Klinikgelände am Universitätsklinikum Bonn. Weiterführende Informationen zu dem Thema erhalten Sie über kma-online.de sowie die Website der Stadt Bonn.
  • Anschaffung von E-Fahrzeugen und Installation von E-Ladesäulen (Nutzung von BHKW-Strom) der Märkischen Gesundheitsholding GmbH.
  • Installation von Ladesäulen für E-Bikes an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Informationen über die Homepage der Charité.
  • Für ein Unternehmen personalisierte Pendler:innen-App: Eine Fahrgemeinschaft mit Kollegen gründen
  • Wie machen es andere europäische Länder? Holland zeigt, wie die Regierung zum Fahrradfahren ermuntert

Materialien und Link-Tipps

  • Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe: Praxisleitfaden Klimatransformation, Abschnitt Mobilität (Pdf-Datei, Seite 67)
  • Mit dem Zug zum Kongress, oder doch lieber mit dem PKW? Die Universität Graz bietet mit dem CO2-Rechner Carbon Tracer einen schnellen Überblick über reisebedingte Emissionen, wobei der gesamte Lebenszyklus eines Verkehrsmittels berücksichtigt.

Ihre Projekte

Haben Sie zusätzliche Vorschläge, Kommentare oder gute Best-Practice-Beispiele?

Wir freuen uns über Ihre Anregungen, um unsere Arbeitsbereiche kontinuierlich zu optimieren. Kontaktieren Sie uns hierzu gerne unter info@klimeg.de.

Ansprechpartner:in

Dr. med. Anne Hübner

Ihre Ansprechpartnerin für das Thema Mobilität

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