Handlungsfelder für klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen

Handlungsfeld Lieferkette, Beschaffung und Kreislaufwirtschaft

Warum ist die Lieferkette für ein klimafreundliches Krankenhaus wichtig?

Unter dem Begriff „Lieferkette“ subsumieren sich Planung, Durchführung und Kontrolle aller Aktivitäten im Zusammenhang mit einem gewissen Material- und Informationsfluss, vom Einkauf der Rohstoffe bis hin zur endgültigen Produktlieferung an die Kund:innen. Bei einer Lieferkette handelt es sich folglich um mehrstufige, vor- und nachgelagerte Verbindungen zwischen verschiedenen Unternehmen, die in Form eines Netzwerks von der Rohstoffgewinnung, über die Veredelungsstufen bis hin zu Endverbraucher:innen an der Wertschöpfung beteiligt sind.

Der Großteil der Emissionen im Krankenhaus stammen von der Lieferkette: In den von Healthcare without Harm publizierten Treibhausgasbilanzen erkennt man, dass der Anteil der Scope 3 Emissionen des Gesundheitssektors EU-weit bei 75 % liegt, in Deutschland bei 66 %.

© Healthcare without Harm 2019

Scope 3 Emissionen sind die sogenannten indirekten Emissionen, die den vor- und nachgelagerten Prozessen eines Krankenhauses zugeordnet werden, also hauptsächlich dem Einkauf und der Lieferkette zugeschrieben werden.

Diese Emissionen fallen unter das seit Januar 2023 in Deutschland existierende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das den weltweiten Schutz von Arbeitnehmer:innen und Umwelt entlang der Lieferketten gewährleisten soll.

Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurde vom Bundestag am 25. Juni 2021 gebilligt und trat am 01. Januar 2023 in Kraft. Das Gesetz gilt im ersten Jahr für alle Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 auch für Unternehmen, die 1.000 oder mehr Angestellte beschäftigen.

Das Ziel dieses Gesetzes ist die Einhaltung grundlegender Menschenrechte, beispielsweise das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, sowie die Umsetzung von Umweltstandards in den globalen Lieferketten. Bei einem nachgewiesenem Verstoß gegen Menschenrechte werden Bußgelder von bis zu 2 % des Vorjahresumsatzes verhängt und es kann zu einem Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen von bis zu drei Jahren kommen.

Die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sieht die Überprüfung von Lieferant:innen auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards durch die Hersteller:innen vor. Hierbei wird kritisiert, dass Rohstoffgewinnungsunternehmen aus der Verantwortung entlassen würden, da sich das Gesetz auf die Überprüfung der zuliefernden Betriebe beschränkt. Zudem ist umstritten, dass Umweltaspekte nur berücksichtigt werden, wenn sie mit einer Menschenrechtsverletzung, beispielsweise einer Gesundheitsschädigung, einhergehen.

Die Forderung klimaschützender Institutionen ist daher, dass eine eigenständige, umweltbezogene Sorgfaltspflicht auf direkte und mittelbare Zuliefer:innen entfällt und sich damit auf die gesamte Wertschöpfungskette bezieht.

Welche Herausforderungen gibt es im Handlungsfeld Lieferkette?

Die heutigen Lieferketten sind durch die Internationalisierung, steigende Durchflussraten und durch Veränderungen im globalen Konsumverhalten extrem komplex geworden. Die Transparenz über die eigene Lieferkette ist die Voraussetzung, um den großen Hebel „Dekarbonisierung der Lieferkette“ zu nutzen. Der Gesundheitssektor kann durch gezieltes Lieferkettenmanagement und Beschaffungsentscheidungen die Dekarbonisierung der eigenen Lieferkette beeinflussen. Ein kollektiver Ansatzpunkt ist folgender: Durch die Bündelung der Kaufkraft in Form von Einkaufsgemeinschaften können klimaneutrale Produkte kostengünstiger erworben werden. Gleichzeitig kann die Transparenz der Lieferkette und der Emissionen von Hersteller:innen und Zuliefer:innen im Gesundheitswesen gemeinsam besser eingefordert werden. Dass die Implementierung von nachhaltiger Beschaffung möglich ist, zeigen regionale Beispiele aus Großbritannien, Island und Schweden.

Co-Benefits

  • Kosteneinsparungen: Wenn Maßnahmen wie Energieeffizienz, Abfallreduzierung und optimierter Ressourceneinsatz in der Lieferkette etabliert werden, können Unternehmen langfristig Betriebskosten senken und damit ihre Produkte auch kostengünstiger an Sie verkaufen.
  • Risikominderung: Mit einer Diversifizierung der Lieferant:innenbasis, einem größeren Verständnis für ihre Lieferkette und lokaler Produktion können Sie widerstandsfähiger gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen wie Naturkatastrophen, politischen Unruhen oder Rohstoffknappheiten sein.
  • Innovationsförderung: Ein höherer Bedarf an klimafreundlichen Produkten führt dazu, dass Unternehmen mehr Anreize haben, innovative medizinische Geräten und Technologien zu entwickeln.

Womit kann ich direkt anfangen?

  • Prüfen Sie, ob es zu Ihren eingekauften Produkten Zahlen zur Klimabilanz und zum Ressourcenverbrauch gibt: Wie viel Energie hat das Produkt verbraucht? Welche Verpackung wird benutzt? Welche (potentiell umweltbelastenden) Inhaltsstoffe sind in dem Produkt? Kann das Produkt recycelt oder repariert werden?
  • Überprüfen Sie Ihre Anlieferungsroute: Können Mehrfahrten eines LKWs durch eine bessere Bestellplanung vermieden werden?
  • Prüfen Sie, ob es zu Ihrer Produktpalette ökologische Alternativen gibt, wie beispielsweise:
    • Materialien mit Öko-Siegel (Blauer Engel, Grüner Punkt, Oekotex, …)
    • Produkte aus recycelten Materialien
    • Energieeffiziente Geräte
    • Regionale Produkte mit kurzem Transportweg
    • Mehrwegprodukte
  • Bei Neuanschaffung eines medizinischen Gerätes: Ist es möglich, ein generalüberholtes Produkt anstatt eines neuen Produktes zu kaufen?

Best Practice Beispiele

Das staatliche Gesundheitssystem in Großbritannien und Nordirland (NHS: National Health Service) hat drei grundlegende Hebel identifiziert, um die Emissionen der Lieferkette zu reduzieren:

  1. Effizientere Verwendung von Produkten und Dienstleistungen
  2. Kohlenstoffarme Substitutionen und Produktinnovationen
  3. Sicherstellung, dass die Lieferant:innen ihre eigenen Prozesse dekarbonisieren

Das NHS berichtet, dass der wichtigste Ansatzpunkt für eine Lieferketten-bezogene Emissionsreduktion die Interaktion mit den Lieferant:innen ist, wobei die Auswahl ebendieser sowie ihrer Produkte auf Umweltschutz-Kriterien beruhen sollte. Es ist wichtig, dass Nachhaltigkeit in sämtlichen Vergabeentscheidungen berücksichtigt wird, wofür Lieferant:innen aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsleistung vom NHS bewertet wurden und in einer Rangordnung gelistet sind. Grundlage für diese Bewertung waren Selbstauskünfte, Informationen von Nachhaltigkeitsplattformen sowie risikobasierte Vor-Ort-Checks.

Als primäre, wesentliche Maßnahme sollte die eigene Nachhaltigkeitsstrategie an Lieferant:innen kommuniziert und die Nachhaltigkeitsanforderungen in Verträgen verankert werden. So gelingt es, Lieferant:innen zu qualifizieren und zu sensibilisieren. Sie sollten zudem dazu angehalten werden, den Einkäufer:innen ihre CO2-Bilanzierung offen zu legen, woraufhin hohe Emittent:innen identifiziert und aufgefordert werden können, wissenschaftlich fundierte Emissionsminderungsziele festzulegen.

Laut dem NHS sollten sich Gesundheitseinrichtungen bei ihren wichtigsten Lieferant:innen schon im Designprozess einbringen, indem sie Anforderungen an die Wiederaufbereitungs- und Recyclingfähigkeit definieren. Bei der Produktion sollten Lieferant:innen Ökostrom und energieeffiziente Anlagen verwenden, beim Lieferprozess stellen eine klimafreundliche Fahrzeugflotte und ein nachhaltiges Auslieferungskonzept wichtige Maßnahmen zur Emissionsreduktion dar.

Das Konzept des NHS beruht auf Transparenz und Kommunikation, wodurch gemeinsame CO2-Reduktionsziele erarbeitet und überwacht werden können. Es arbeitet derzeit mit über 500 Unternehmen in seinem Lieferant:innen-Programm „NHS Supplier Engagement Programme“ zusammen. Durch die Aufbereitung und Wiederverwendung von Einwegprodukten konnte im Rahmen dieses Programms nicht nur der Fußabdruck reduziert, sondern auch hohe Kosten eingespart werden. Einen wichtigen Anteil daran haben biobasierte Polymere als Substitutionsrohstoffe und die Reduktion von Produktverpackungen sowie deren emissionsärmere Gestaltung. Das NHS hat sein Dekarbonisierungsziel bereits klar formuliert: Ab 2030 wird bei keinen Lieferant:innen mehr einkauft, die ihre Verpflichtung zur Klimaneutralität nicht erfüllen. Informationen basieren auf den Angaben der NHS.

Im deutschsprachigen Raum bietet das Netzwerk ZUKE-green (Zukunft-Krankenhaus-Einkauf) eine sehr gute Plattform, um sich rund um das Thema „nachhaltiger Einkauf“ zu vernetzen und sich mit Einkaufsexpert:innen auszutauschen.

Eine Bilanzierung der jährlich emittierten Treibhausgas-Emissionen kann über den KliMeG-Rechner erfolgen.

Hilfestellung für die praktische Umsetzung eines nachhaltigen Textileinkaufs bietet die NGO Femnet.

Die POP – Praxis ohne Plastik hat ein kleines aber gut recherchiertes Sortiment an Produkten für kleinere Gesundheitseinrichtungen wie Praxen, Tageskliniken und Medizinische Versorgungszentren. Der Versand erfolgt karton- und nicht palettenweise. Die Artikel, die angeboten werden, durchlaufen einen strengen Bewertungsprozess unter Einbeziehung der Hersteller:innen und Anwendung interner ökologischer Kriterien, um Greenwashing zu vermeiden.

Weitere Maßnahmen

  • Nehmen Sie Nachhaltigkeitskriterien in Ihre Ausschreibungen auf (z. B. Wäsche).
  • Kontaktieren Sie Ihre Zuliefer:innen, kommunizieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsstrategie und vereinbaren Sie einen Code of Conduct.
  • Prüfen Sie den Wechsel zu einer „grünen Einkaufsgemeinschaft“.

Materialien und Link-Tipps

Ihre Projekte

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Wir freuen uns über Ihre Anregungen, um unsere Arbeitsbereiche kontinuierlich zu optimieren. Kontaktieren Sie uns hierzu gerne unter info@klimeg.de.

Ansprechpartner:in

Dr. med. Anne Hübner

Ihre Ansprechpartnerin für das Thema Lieferketten

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