Handlungsfelder für klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen

Handlungsfeld Abfall und Recycling

Warum ist das Handlungsfeld Abfall wichtig?

Im Gesundheitswesen entstehen große Abfallmengen und, in Abhängigkeit von den medizinischen Disziplinen einer Einrichtung, oft sehr spezifische Abfälle. Dabei ist die Entsorgung eine verantwortungsvolle logistische Aufgabe, die hygienischen, infektiologischen und datenschützenden sowie ökologischen Anforderungen genügen muss. Das Statistische Bundesamt benennt für das Jahr 2017 ca. 4,8 Millionen Tonnen Abfall, die in den knapp 2.000 deutschen Krankenhäuser entstanden sind und damit mehr als ein Prozent des bundesdeutschen Gesamtabfallaufkommens (401 Millionen Tonnen) verursachten. Pro Krankenhausbett und Patient:in entstehen demnach ca. 20 Kg Müll täglich. (Quelle: umweltzoneberlin.de)

Bezüglich des CO2-Fußabdruckes gibt es nur schwankende Angaben – man kann aber davon ausgehen, dass der Abfall und seine Entsorgung etwa 5 % der Emissionen eines Krankenhauses ausmachen.

Gesetzesgrundlage und Richtlinien

Das deutsche Abfallrecht ist die gesetzliche Grundlage für das Infektionsschutz-, Arbeitsschutz-, Chemikalien- und Gefahrgutrecht. Der gesetzliche Rahmen wird in der Mitteilung 18 der LAGA (LAGA – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall) bundesweit beschrieben.

Der § 6 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) regelt Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung mit folgender Rangfolge: Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, Sonstige Verwertung (insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung), Beseitigung. 

Welche Herausforderungen gibt es im Handlungsfeld Abfall?

Wenn man sich mit dem Thema Abfall in Gesundheitseinrichtungen beschäftigen möchte, gibt es gemäß des deutschen Abfallrechts drei Themen, die besonders beachtet werden müssen:

Abfallvermeidung

Abfälle erst gar nicht entstehen zu lassen hat oberste Priorität in der Abfallwirtschaft. Dadurch werden nicht nur Abfallmengen und deren Umweltbelastung reduziert, sondern auch Rohstoffe und Energie eingespart. Daher ist der erste Schritt zur Optimierung des Abfallmanagements, eine Gesundheitseinrichtung dahingehend zu durchleuchten, welche Maßnahmen zur Abfallvermeidung bereits umgesetzt wurden, was noch verbessert werden könnte und welche weiteren Maßnahmen sinnvoll wären. Alles, was nicht eingekauft und entsorgt werden muss, spart Kosten und bietet dadurch ökonomische und ökologische Vorteile.

Die Beschaffung von verpackungsarmen Artikeln, der Einsatz von Mehrweg- statt Einwegprodukten sowie von Recyclingprodukten trägt zudem zu einer Müllreduktion bei. Viele alltägliche Gegenstände im Gesundheitswesen sind, begründet durch das Stichwort „Hygiene“, mit besonderen Umverpackungen versehen. Als Lösung hierfür sollten, gemeinsam mit der Hygieneabteilung, Konzepte und Leitfäden entwickelt werden, unter welchen Umständen unverpackte Produkte genutzt werden dürfen.

Der Einsatz vieler Einmalprodukte erfolgt ebenfalls oft aus hygienischen Gründen, manchmal spielen jedoch ausschließlich ökonomische Vorteile die entscheidende Rolle. Hierbei zeigt sich die Wichtigkeit einer CO2-Bepreisung: Würden zukünftig Treibhausgasemissionen in die Preiskalkulation mit eingehen, würde das Auswirkungen auf den Preis von Einmalprodukten haben, die dadurch unattraktiver werden. Des Weiteren spielt ein bewusstes Verhalten Ihrer Mitarbeiter:innen eine wichtige Rolle bei der Abfallvermeidung: Vor jedem „Aufreißen“ einer sterilen Verpackung oder eines Sets sollte überlegt werden, ob das Produkt tatsächlich gebraucht wird. Als weiteres Beispiel dient die Koordination von ärztlichen Visiten mit Verbandswechselrunden. Hierdurch kann mehrfaches Verbinden der gleichen Wunde vermieden werden, was sowohl Patient:innen als auch die Umwelt schont.

Recycling

Als Recycling wird in diesem Kontext das Sammeln und Trennen von wiederverwendbaren Materialien als Ressourcen für die Herstellung neuer Produkte verstanden. Die Nutzung von recycelten Produkten finden Sie im Handlungsfeld Lieferkette, Beschaffung und Kreislaufwirtschaft.

Die Abfalltrennung wird in vielen deutschen Haushalten akribisch betrieben, in Einrichtungen des Gesundheitswesens dagegen oft nur ungenügend. Sie scheitert meist an niedrigen Hürden, wie beispielsweise dem fehlenden Platz für eine dezentrale Trennlogistik. Architektonisch bieten Bestandsbauten oft keine Möglichkeit für das Aufstellen verschiedener Abfallbehälter und auch bei Neubauten wird dies meist ungenügend eingeplant. Vor allem in Patient:innen-Zimmern, z.B. bei einem Verbandswechsel, wird das konsequente Trennen von Abfallarten für die Mitarbeitenden zur logistischen Herausforderung. Um eine angenehme Lösung für alle Beteiligten zu finden, müssen die Angestellten daher in Abfall-betreffende Entscheidungen miteinbezogen werden.

Das Gleiche gilt für den OP-Bereich und die Intensivstationen, wo pro Patient:in deutlich mehr Umverpackungen und Einwegprodukte anfallen. Sowohl aus Zeit-, als auch aus Platzgründen wird der Abfall hier oft gar nicht getrennt, denn auch hier sind der logistische Aufwand zu hoch und die Möglichkeiten stark begrenzt. Erfreulicherweise gibt es einen Trend zur Aufbereitung von (oftmals teuren) Einmalartikeln, beispielsweise von Ablationskathetern in der invasiven Kardiologie. Die benutzen Produkte werden in speziellen Behältern gesammelt und von den Aufbereitungsfirmen regelmäßig abgeholt. Ungelöst ist bislang das Problem bei gleichzeitiger Nutzung von Artikeln verschiedener Hersteller:innen. Da alle Unternehmen eigene Sammelbehälter nutzen und einfordern, führt dies rasch zu einer logistischen Überforderung der Funktions- und OP-Bereiche.

Umweltverträgliche Entsorgung

Die Entsorgung von Abfällen des Gesundheitssektors ist eine verantwortungsvolle logistische Aufgabe, die bestimmte hygienische, infektiologischen und datenschützenden sowie ökologische Anforderungen erfüllen muss. Das Abfallmanagement wird im Gesundheitswesen immer bedeutender, um schon bald ressourcenschonend zu agieren, weniger Rohstoffe zu verbrauchen, Wertstoffe zurückzugewinnen und Abfälle umweltgerecht zu entsorgen. 

Die Abfälle der Gesundheitseinrichtungen bestehen einerseits aus haushaltsähnlichem Müll, andererseits beinhalten sie zahlreiche weitere Stoffe, Materialien, Gegenstände und Flüssigkeiten. Sie enthalten unproblematische Anteile wie einfache Servietten, Papier oder Glasflaschen, aber auch Desinfektionsmittelbehälter, Kanülen, Medikamentenreste oder veraltete Medizingeräte, die einer besonderen Entsorgung bedürfen.

Der Europäische Abfallkatalog (EAK) unterscheidet Abfälle der humanmedizinischen Versorgung nach Herkunftsbereichen und teilt sie nach Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung und Menge in Kategorien ein, wie beispielsweise:

  • Spitze oder scharfe Gegenstände
  • Körperteile und Organe
  • Infektiöse Abfälle
  • Mit Blut, Sekret und Exkret verunreinigte Abfälle
  • Chemikalien
  • Zytostatikaabfälle und andere Arzneimittel

Für die Entsorgung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetz ist es wichtig, die dazu zählenden Logistikketten und – kreisläufe immer ganzheitlich zu betrachten, denn eine umweltfreundliche Beschaffung fördert die Vermeidung bzw. Wiederverwertung von Abfällen (siehe Handlungsfeld Lieferkette, Beschaffung und Kreislaufwirtschaft). Um dies zu gewährleisten, sollten nachhaltige Maßnahmen in Gesundheitseinrichtungen geplant und umgesetzt werden, beispielsweise die Nutzung von Zertifizierungssystemen und Entsorgungskonzepten für ein Stoffstrommanagement (siehe hierzu: VDI 5800 Blatt 1 „Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb von Krankenhäusern – Grundlagen“).

Die Umsetzung dieses Entsorgungskonzepts erfordert verschiedene Maßnahmen: Einerseits wird eine optimierte Logistik benötigt, die gekennzeichnete, getrennte Sammelbehälter zur Verfügung stellt. Die Behälter müssen hierbei gemäß dem Abfallaufkommen ausgewählt und gestaltet werden. Andererseits kann die Erfassung der Abfallmengen und des Entsorgungsrhythmus die Organisation der Entsorgung verbessern. Des Weiteren senkt eine stoffspezifische Zählung und Nutzung von Rücknahme- und Recyclingoptionen den Ressourcenverbrauch. Dies lässt sich beispielsweise für Wertstofffraktionen, Druckerpatronen und Toner, Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Pumpen, Batterien und Holzfraktionen etablieren.

Co-Benefits

  • Kosteneinsparung: Mit der Reduktion des Abfalls und einem guten Trennsystem können Abfallentsorgungskosten gesenkt werden, da die Beseitigung von Plastik- und Papiermüll deutlich günstiger als die von Restmüll und infektiösen Abfällen ist.
  • Einsparung des Einkaufs von Einwegprodukten durch Aufbereitung und Recycling von Mehrwegprodukten: Neben der Abfallreduktion wird auch die Abhängigkeit von globalen Lieferketten gesenkt. Gerade in Zeiten von multiplen globalen Krisen kann dies ein entscheidender Faktor zur Steigerung der eigenen Resilienz sein.

Womit kann ich direkt anfangen?

  • Einführung von Mülltrennsystemen: Deutliche Kennzeichnung der Abfallbehälter mithilfe verschiedener Farben und Größen, um die Trennung der Abfallarten zu erleichtern.
  • Verwendung von Mehrwegprodukten: In einigen Bereichen, z. B. Schutzbekleidung oder Cafeteria, kann die Umstellung auf von Einweg- auf Mehrwegprodukte sehr einfach und praktikabel sein.
  • Bevorzugung von Großgebinden und Nachfülloptionen, z. B. bei Putzmittel.
  • Prozessoptimierung: Nutzen Sie das nächste Teammeeting, um sich gemeinsam mit Ihren Kolleg:innen die Prozesse zur Abfallvermeidung anzusehen. Wir sind uns sicher, Ihnen werden einige Abläufe auffallen, durch deren effektivere Gestaltung Ressourcen gespart werden können.

Langfristige Maßnahmen

  • Einrichtung eines Systems zur kontinuierlichen Erfassung und Aufzeichnung von Daten aller Abfallströme, inkl. der Kosten: Messung des Erfolgs und der Kosteneinsparung Ihrer Abfallreduktionsprojekte der nächsten Jahre.
  • Gründung von Partnerschaften mit Firmen und Recyclingunternehmen: Verschiedene Industrien haben mittlerweile ein großes Interesse daran, bestimmte Materialien wiederzuverwerten und in den Kreislauf zurückzubringen.
  • Angebot von Schulungen: Planung und Durchführung von Info-Veranstaltungen, Workshops etc., um das Thema Abfall im Alltag der Mitarbeiter:innen bewusst zu etablieren.

Best Practice Beispiele für das Handlungsfeld Abfall und Reycling

Abfallvermeidung bedeutet, die eigenen Veranstaltungen ökologisch und nachhaltig auszurichten. „G‘SCHEIT FEIERN – Die steirische Festkultur!“ ist ein Veranstaltungsgütesiegel, das umweltbewusstes und traditionelles Feiern garantiert. Bei Veranstaltungen, die nach den Kriterien von „G‘SCHEIT FEIERN “ ausgerichtet sind, werden kein Wegwerfgeschirr und keine Einweggebinde, wie Getränkedosen oder PET-Flaschen eingesetzt. Mittlerweile hat sich die ÖKO-Service GmbH zur Drehscheibe für die Ausrichtung von abfallarmen Veranstaltungen entwickelt. Geschirrwaschmobil, Mehrwegbecher, Gläser, Teller, Besteck und vieles mehr können ausgeliehen werden. Mehr Informationen unter: Gscheitfeiern.at oder per Presselink.

Um zu vermeiden, dass Werbegeschenke gleich wieder im Abfall landen, müssen diese für die Beschenkten einen Nutzen haben. Daher sollte darauf geachtet werden, dass Werbegeschenke keine Wegwerfprodukte sind, aus unbedenklichen Materialien bestehen und aus der Region kommen. Viele Einrichtungen sind bereits dazu übergegangen, regionale Produkte wie Kürbiskernöl, Honig, Marmeladen etc. mit ihrem jeweiligen Logo zu versehen und als Give-Away zu verwenden. Mehr Informationen unter: Umweltberatung.at oder per Presselink.

Seit August 2020 besteht ein Leitfaden für die Organisation nachhaltiger Veranstaltungen. Das Dokument enthält Empfehlungen und praktische Hinweise zu den wichtigsten Handlungsfeldern bei der Vorbereitung von Veranstaltungen auf verschiedensten Gebieten. Somit kann es Organisator:innen als Kompass und Grundlage für umweltgerechte und sozial verträgliche Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen dienen. Zum Download des Leitfadens gelangen Sie über das Umweltbundesamt oder das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Das Universitätsklinikum Bonn hat ein vielschichtiges Entsorgungsmanagement. Abfallmanager Michael Schmitz spart mit einem digitalen Entsorgungskonzept ca. 100.000€ pro Jahr an Entsorgungskosten und ermöglicht für hochwertige, chirurgische Einweginstrumente eine Recyclingoption.

Materialien und Link-Tipps

Ihre Projekte

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Ansprechpartner:in

Dr. med. Anne Hübner

Ihre Ansprechpartnerin für das Thema Abfall und Recycling

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