Handlungsfelder für klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen

9. Transformatives Handeln

„Sie müssen sich nicht verändern – Überleben ist keine Verpflichtung“

(W. Edwards Deming, Ökonom, 1900-1993)

Transformation als Survival Kit

Nachhaltigkeit

Die Herausforderung besteht darin, eine Kultur zu entwickeln, die ökologische Nachhaltigkeit als Voraussetzung für wirtschaftliche Tragfähigkeit begreift.

Ein Teil besteht dabei im Aufbau von Kreislaufprozessen und regionalen, zellularen Versorgungseinheiten, die Einrichtungen nebenbei auch resilienter gegen Lieferengpässe machen.

Das aktive Leben dieser Kultur der ökologischen und sozialen Verantwortung erzielt auch Wirkung bei Partner:innen-Organisationen und Zulieferer:innen.

Gemeinwohlorientierung

Gemeinwohlorientierung ist in Gesundheitseinrichtungen der Herkunft nach zwar angelegt, aber in den Unternehmenskulturen der Gegenwart oft wenig spürbar.

Die einst so propagierte Globalisierung hat dabei die Externalisierung von Kosten noch beschleunigt. Projekte müssen sich jedoch immer am wahren Wert orientieren und bedenken, ob und welche Auswirkungen das Projekt außerhalb der Einrichtungen haben könnte.

Die Harvard Business School hat dazu die sogenannten „Impact-weighted Accounts“ vorgeschlagen. Auch in Deutschland existieren hierzu bereits Bilanzierungssysteme und Zertifizierungsverfahren.

Agile Führungsprozesse

Wichtig ist, die Transformation auch, oder vor allem in Führungsprozessen umzusetzen.

Organisationen können dazu befähigt werden, Mitarbeitende und Teams als sich selbst verwaltende und sich selbst steuernde Einheiten zu sehen und sie damit näher mit der Wertschöpfungskette zu verbinden.

Siehe hierzu: C. Otto Scharmer, „Theorie U, Von der Zukunft her führen“, ISBN 9783849703479 .

Forschung, Fort- und Weiterbildung im Rahmen der Transformation

Eine der ersten Initiativen, die das Framework Planetary Health einem breiteren Fachpublikum zugänglich machte, war die Planetary Health Academy der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. Pandemiebedingt startete sie im Frühjahr 2020 rein virtuell. Bereits in der zweiten Vorlesungsreihe gelang es, eine Reihe der wichtigsten internationalen Forscher:innen dafür zu gewinnen. Bislang ist sie in dieser Form einzigartig. Zuletzt vollzogen sich durch die strukturelle Verankerung des Nexus „Klimawandel und Gesundheit“ in wichtigen Institutionen des Gesundheitssektors weitere strategisch wichtige Fortschritte.

Es gibt mehrere Fachgesellschaften, die sich dazu positionierten, unter anderem die Deutsche Fachgesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Sommer 2020. Auf dem Deutschen Ärztetag im April 2021 wurde die Aufnahme von Klimawandel und Gesundheit in den Allgemeinen Teil der Musterweiterbildungsordnung beschlossen. Die sukzessive Überführung in Landesrecht ist nun Aufgabe der Landesärztekammern. Dort werden mittlerweile einige wenige Fortbildungen angeboten oder gerade konzeptioniert. Im Institut für medizinisch-pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) überführt die Arbeitsgruppe „Klima, Umwelt und gesundheitliche Folgenabschätzung“ diese Themen in die sogenannten Gegenstandskataloge, die die Prüfungsinhalte für Absolvent:innen erfassen. Die Universität Bayreuth bietet seit Sommer 2021 einen Studiengang Global Food, Nutrition and Health an. Darüber hinaus sind in Form von Wahlkursen in den medizinischen Fakultäten vieler Universitäten einige Initiativen entstanden.

Innerhalb der Health for Future-Bewegung existieren hierzu mehrere Projekte und ein Skillslab. Dabei ist auch eine AG Lehre, die Lehrmaterial entwickelt, sammelt und verbreitet. Ebenfalls 2021 sind mehrere Bücher publiziert worden, unter anderem:

  • „Planetary Health: Protecting Nature to Protect Ourselves“ von Dr. Samuel Myers
  • „Mensch, Erde! Wir könnten es doch so schön haben“ von Dr. Eckart von Hirschhausen
  • „Überhitzt“ von Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann
  • „Planetary Health – Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän”, Hrsg.: Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Dr. Christian Schulz, Dr. Martin Herrmann und Prof. Dr. Babette Simon: Das erste Fachbuch, das die Auswirkungen der Überschreitung planetarer Grenzen auf das Fachgebiet der Humanmedizin zusammenfasst, erschien im Herbst 2021.
  • „High Performance im Krankenhausmanagement”, Prof. Dr. Edda Weimann, Springer 2021: Das erste Buch zu Krankenhaus-Management, das aufzeigt, wie eine nachhaltige, umweltschonende und klimaneutrale Krankenversorgung unter dem Kostenaspekt in Kliniken und Praxen erfolgen kann.

Parallel zur zunehmenden Wissensverbreitung entstehen immer mehr Forschungsinitiativen. Bislang stehen meist gesundheitliche Auswirkungen im Forschungsinteresse und sind meist im Fachgebiet der Umweltmedizin verankert. Einige Institute fokussieren zunehmend auf die Auswirkungen des Klimawandels, beispielsweise das Institut für Umweltmedizin in Augsburg. Der besonderen Rolle des Klimawandels wurde die Professur für Klimawandel und Gesundheit gerecht, die 2019 gemeinsam von der Charité und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eingerichtet wurde. Sie wurde von Prof. Dr. Dr. Sabine Gabrysch übernommen.

Da die Wichtigkeit gesunder Ökosysteme für unsere Gesundheit zunehmend verstanden wird, rückt ihr Schutz und damit das Konzept „Planetary Health“ immer weiter in das Zentrum von Public-Health-Ansätzen. Allerdings existieren immer noch viel zu wenig Forschungsinitiativen, die sich mit dem CO2-Fußabdruck des Gesundheitssektors auseinandersetzen. Aber auch hier nehmen die Anstrengungen zu, sich den entscheidenden Punkten zu nähern. Das beinhaltet unter anderem Fragen der Finanzierung, die ökonomischen und ökologischen Bilanzen von Mehrweg- versus Einwegprodukten unter der Berücksichtigung der Sicherheit von Lieferketten oder die optimale Balance zwischen Anforderungen an die Hygiene und dem dafür notwendigen Aufwand. Andererseits ist aber klar, dass sehr viel Wissen zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks bereits vorhanden ist und daher fehlendes Wissen keinesfalls als Grund dafür herangezogen werden kann, nicht sofort mit der Umsetzung zu beginnen.

Finanzierung der Transformation

„Wir unterstützen Sie in Ihren Bemühungen nach Nachhaltigkeit, aber sie darf nichts kosten“, ist wohl einer der am häufigsten entgegneten Sätze, wenn Entscheider:innen für mehr Nachhaltigkeit in einer Gesundheitseinrichtung gewonnen werden sollen. Was viele noch nicht realisiert haben und daher ein Problem ist:

Betriebe, die nicht nachhaltig wirtschaften, verursachen mehr Kosten.

Bei der Frage nach der Finanzierung von Nachhaltigkeit gibt es also mehrere Perspektiven. Das Billigste geht meist einher mit der größten Externalisierung von Kosten. Diese externalisierten Kosten werden nicht durch Einkäufer:innen getragen, sondern entstehen in Form von ökologischen und gesundheitlichen (und damit wirtschaftlichen) Folgeschäden, die durch die Gesellschaften getragen werden. Das gilt natürlich nicht nur für die deutsche Gesellschaft, sondern umso mehr für Menschen in den Produktionsländern mit geringeren ökologischen Auflagen und niedrigeren Arbeitssicherheitsstandards. Global gesehen werden die Kosten vor allem auch durch nachfolgende Generationen getragen werden müssen, bis hin zur existentiellen Frage der Bewohnbarkeit des Planeten.

Die Bewahrung der Ökosysteme, beispielsweise durch Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele, wird also immer teurer werden oder – positiv formuliert – Gesundheitsschutz durch Umwelt-/Klimaschutz wird nie mehr so billig zu haben sein wie jetzt. Damit stellt sich also die Frage nach echter Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftlichkeit ist genau das, was durch den Regelungsrahmen, zum Beispiel durch das SGB V, gefordert wird und ist nicht allgemein gleichzusetzen mit dem niedrigsten Einkaufspreis. Weithin ungeregelt ist der Zeitraum, über den Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt werden. Meist sind es Jahresbilanzen, die geprüft und den Aufsichtsräten vorgelegt werden.

Dazu kommt, dass durch die duale Finanzierung im Gesundheitssystem eine Entkopplung der Investitionskosten von den laufenden Betriebskosten stattfindet. Daher entstehen wenig Anreize, höhere Investitionskosten in Kauf zu nehmen mit dem Ziel, die Betriebskosten und damit den Ressourcenverbrauch zu senken und auf diesem Wege langfristige Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Auch bestehen selten Anreize, Nachhaltigkeitskriterien bei den Investitionen zu berücksichtigen.

Dem kann derzeit nur auf folgende Weise begegnet werden:

  1. Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass eine Reihe gering investiver Maßnahmen mit einer kurzfristigen Kostenersparnis einhergeht.
  2. Der Vorstand bzw. der/die Träger:in einer Einrichtung muss den zuständigen Behörden, meist den Gesundheitsministerien der Länder, die Dringlichkeit und medizinische Notwendigkeit darlegen und in die Verhandlung um Investitionsmittel einbringen.
  3. Bei der Vergabe von Aufträgen müssen Nachhaltigkeitskriterien implementiert werden, (siehe hierzu: Handlungsfeld Lieferketten). Die Spielräume dazu werden normalerweise nicht ausgeschöpft.
  4. Jenseits der normalen Finanzierung existiert eine Reihe an Fördermöglichkeiten durch verschiedene Behörden auf Landes- und Bundesebene. Eine Übersicht bietet die Fördermittelbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
  5. In den Bundesländern stellen Agenturen, Behörden und Förderinstitute Informationen zu regionalen Fördermöglichkeiten zur Verfügung. So informiert beispielsweise die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz über Fördermöglichkeiten im Umwelt- und Klimaschutz. Die Investitionsbank Berlin hilft mit dem Produktfinder, wobei unter „Branche“ nach „Krankenhäuser/Kliniken“ gefiltert werden kann.
  6. Um keine Darlehen zur Bewältigung größerer Investitionen, z.B. der Installation einer großen Photovoltaik-Anlage aufnehmen zu müssen, sind Leasing- oder Contracting-Modelle zu prüfen. Gegebenenfalls gelingt sogar die Einbindung der Mitarbeitenden, indem für sie ein geeignetes Finanzprodukt aufgesetzt wird, das dazu beiträgt, sie für das Thema zu gewinnen und wirtschaftlich zu beteiligen.

Es besteht die Notwendigkeit, die Finanzierung des Gesundheitssektors so anzupassen, dass Nachhaltigkeit nicht nur möglich, sondern sogar gesetzlich eingefordert wird. Um dieses Ziel zu unterstützen, können sich Gesundheitseinrichtungen z.B. der Initiative Klimaneutraler Gesundheitssektor 2035 anschließen.

Verankerung von Resilienz und Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie

Nachhaltigkeit und Resilienz müssen in einem ersten Schritt in der Unternehmensstrategie verankert werden, genau wie andere Ziele. Damit Sie als Gesundheitseinrichtungen in dem dynamischen Umfeld der deutschen Gesundheitswirtschaft überlebensfähig sind, müssen sie wandlungs- und anpassungsfähig sein. Veränderungsprozesse werden aktiv von Menschen ausgestaltet. Nutzen Sie die breite Kompetenz der Manager:innen und Führungskräfte aus allen Fachdisziplinen und Fachbereichen.

Sorgen Sie dafür, dass die notwendigen Veränderungen angestoßen und zielgerichtet umgesetzt werden. Hier ist es wichtig, zwischen der Veränderung/dem Aufbau von Organisationsstrukturen und der Motivation, sowie der Schulung der Mitarbeitenden zu differenzieren.

Ansprechpartner:in

Dr. med. Matthias Albrecht, MBA

Ihr Ansprechpartner für das Thema Führung, Management & Fortbildung

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